Ich bin in Ost-Berlin geboren. Dies bedeutete, dass man als Jugendlicher mit der westlichen Popmusik nur sehr spärlich in Berührung kam, geschweige denn an Tonträger internationaler Künstler. Ich saß viele Stunden vor meinem Kassettenrecorder und versuchte Musik so gut es ging aus dem Radio auf Kassette zu bannen. Mit dem Mauerfall 1989 veränderte sich Alles. Meine erste Schallplatte, die ich mir ein Jahr später kaufte, war "Violator" von Depeche Mode. Ich hörte wochenlang nichts anderes als diese eine Platte. Danach machte sich aber erstmal die CD in meinem Jugendzimmer breit. Somit verschwand die Schallplatte selbst für lange Zeit aus den Regalen der Geschäfte und auch ich verlor an diesem Medium das Interesse. Es mussten gut
2 Jahrzehnte vergehen, bis die Schallplatte wieder mein Herz eroberte. Es hat sich aber auch viel in den Jahren verändert. Selbst die CD verschwindet mittlerweile immer mehr vom Markt. Musik hört man hauptsächlich nur noch online über Streamingdienste wie Spotify und besitzen tut man diese Musik meistens nur noch digital und dann auch nur so lange wie man sein Abonnement bezahlt. Irgendwann entdeckte ich die Schallplatte wieder für mich, da man da noch etwas in der Hand hält. Man kann es anfassen, anschauen, ins Regal stellen und wieder herausholen. Man muss sich mit der Schallplatte beschäftigen. Man muss sie sauber halten, damit sie keine Kratzer bekommt, man muss sie etwas vorsichtig aufbewahren, damit sie nicht Schaden nimmt. Man kann sich die Hülle anschauen oder auch das Booklet, was bei einigen Schallplatten dabei ist. Man benötigt einen Schallplattenspieler, der das Ganze zu einem Erlebnis macht. Man sieht, wie die Schallplatte sich dreht, man hört, wie die Tonnadel auf die Schallplatte aufsetzt und dann den ersten Ton wiedergibt. Man muss sich jedes Lied vom Anfang bis zum Ende anhören, einfaches Vorspulen wie bei einer Kassette, einer CD oder im Stream geht nicht so einfach. Damit hört man sich auch ein ganzes Album an und nicht nur einzelne Lieder. Und was mir mittlerweile wieder wichtig geworden ist, man besitzt diese Musik. Ich kann sie zwar nicht überall mit hinnehmen, aber ich kann sie mir immer noch anhören, auch wenn ich offline bin. Erst durch diese ganzen Handgriffe, die man machen muss, um die Musik einer Schallplatte zu hören, wird es wieder zu einem Erlebnis. Man genieß dadurch wieder die Musik mehr. Man lässt sich nicht mit Alltagsdingen ablenken, weil es einfach ein Stück aufwendiger ist, als nur per Sprachsteuerung über seine Musikbox die Lieder abspielen zu lassen. Was keine Verteufelung der modernen Technik sein soll, ich selbst liebe auch meine sprachgesteuerte Musikbox und habe natürlich ein Abonnement bei meinem Musik-Streamingdienst des Vertrauens aus Cupertino.
Jedoch eine Schallplatte aufzulegen ist eine bewusste Entscheidung und somit für mich persönlich das bewusste Genießen von Musik und im Speziellen die Musik von Depeche Mode.